Quartalstreffen 09.2019 in Stadtnachrichten Rutesheim

Geflüchtete und Unternehmer aus Rutesheim finden zusammen
Reger Austausch bei Netzwerk-Veranstaltung

Der Andrang war so groß, dass noch schnell einige Stuhlreihen dazugestellt werden mussten. Das Interesse so stark, dass alle noch im angeregten Gespräch waren, als es Zeit für ein Fazit zur Veranstaltung wurde. Was so viele Menschen in den Bürgersaal in der Christian-Wagner-Bücherei gelockt hatte, war ein Treff für Geflüchtete und Unternehmer, auf die Beine gestellt vom Freundeskreis der Flüchtlinge und der Stadt Rutesheim.

Der Austausch stand an diesem Montagabend klar im Fokus. Die vorbereiteten Thementische fanden zunächst kaum Beachtung, weil sich einfach alle mitten im Raum unterhielten, immer wieder unterschiedliche Gruppen zusammenfanden und der Kontakt zwischen Geflüchteten, Unternehmern und Akteuren aus diesem Feld einfach ganz natürlich entstand. Es hatte sich eine lockere Atmosphäre entwickelt, in der die Menschen einfach ohne Scheu aufeinander zugingen. So konnten Fragen niederschwellig gestellt und offen beantwortet werden. Als Akteure aus dem Bereich der Migration waren der Freundeskreis der Flüchtlinge, Integrationsmanagerin Katharina Wojtulek, Alena Babeyeva vom Böblinger Landratsamt und die Rutesheimer Stadtverwaltung vertreten. Auch Menschen mit internationaler Geschichte standen für Fragen und Austausch bereit. Dem lockeren Kennenlernen ging ein kurzes Programm voraus, moderiert von Susanne Wochele vom Freundeskreis.
Manfred Pauschinger, ebenfalls vom Freundeskreis, führte ein Interview mit Abbulrahim Falla und Lisa Almert. Falla stammt aus Afghanistan, aus der Stadt Ghazni nahe Kabul. Im Mai 2016 kam er nach Rutesheim. Almert arbeitete als Personalchefin bei Hagebau Bolay mit Falla zusammen. Auf die Frage, warum Falla sein Heimatland verlassen hat, gab er eine erschütternd knappe und ehrlich Antwort: Jeden Tag Krieg und Anschläge. Es verwundert also nicht, dass sein Wunsch für die Zukunft ist, ein normales Leben ohne Krieg zu führen. Er suchte sich einen Praktikumsplatz, um mit Leuten in Kontakt zu kommen und Deutsch zu lernen, wie er erzählte. Nach seinem Praktikum bei Hagebau nahm er an einer Fortbildung vom Fachverband der Stuckateure teil. Über ein weiteres Praktikum bekam er die Chance, dauerhaft in einem Betrieb zu bleiben. Dort arbeitet er nun seit zwei Jahren, hat einen unbefristeten Vertrag und kommt selbst für seinen Lebensunterhalt auf.
Was ging Lisa Almert durch den Kopf, als sie erfuhr, dass sie einen Geflüchteten im Unternehmen betreuen wurde, wollte Pauschinger wissen. Sie habe nur gewusst, dass er nicht wirklich gut Deutsch spreche, erzählte Almert. Alle seien gespannt gewesen. Immerhin wisse man nie, wie Mitarbeiter und Kunden da reagieren. Was sich nach Fallas Ankunft jedoch gleich zeigte: „Er war arbeitswillig“, so Almert. Die Verständigung – besonders bei den vielen Fachbegriffen im Baumarkt – klappte mit Händen und Füßen.

Alena Babeyeva stellte das Projekt „MiQnet – Migranten in Unternehmen– Qualifizierungsnetzwerk“ vor. Es läuft seit Beginn des Jahres und richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen im Kreis Böblingen. Babeyeva ist für die Koordination zuständig. Wie vielfältig ihre Aufgaben hierbei sind, machte sie anhand einiger Beispiele deutlich. Ziele des Projekts sind unter anderem die Vernetzung der Unternehmen, die Schaffung von Austausch- und Informations-foren sowie die Unterstützung bei der betrieblichen Integration von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund. Dazu werden unter anderem Schulungen direkt in den Unternehmen angeboten. Zwei bis drei Mal im Jahr, so Babeyeva, finden Netzwerktreffen statt, bei denen Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Sie selbst geht persönlich in die Betriebe, berät, unterstützt. Außerdem warb sie für eine Teilnahme am Unternehmerpreis für engagierte Betriebe.

Bürgermeisterin Susanne Dornes zeigte sich begeistert von dem Abend. Das Thema Integration sei für alle wichtig – auch die Unternehmen, denen es an Fachkräften mangele. Auf der anderen Seite sei es „für die Menschen sehr schwierig, wenn sie nicht arbeiten dürfen“. Gerne würde die Stadt fast alle Geflüchteten dezentral unterbringen, erklärte Dornes, denn es sei den Flüchtlingen lieber und würde die Integration erleichtern. Dafür fehle es jedoch an Wohnraum. Dornes betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis, die die Stadt gerne intensivieren würde.
„Ich möchte Ihnen allen Mut machen“, meinte die Bürgermeisterin insbesondere an die Arbeitgeber gewandt. „Man kann gute und schlechte Erfahrungen machen, aber ich glaube, die guten überwiegen.“ Die ganze Veranstaltung sei einfach eine „fantastische Idee“ gewesen. „Das funktioniert gut in Rutesheim“, fand Manfred Pauschinger. Vor Ort gebe es „eine starke Gesellschaft“. Der Abend schien seinen Zweck erfüllt zu haben, denn wie Pauschinger feststellte: „Es sind viele neue Kontakte entstanden.“