Rückblick auf 4 Jahre Freundeskreis
Auf den 25.11.2014 lädt der damalige Rutesheimer Bürgermeister Dieter Hofmann zu einem Informationsabend ins Rathaus ein. Gesucht werden „engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger“ zur ehrenamtlichen Mithilfe bei der Betreuung von Flüchtlingen. Ca. 70 Personen fühlen sich von diesem Aufruf, der am 30.10.14 in den Stadtnachrichten Rutesheim veröffentlicht wurde, angesprochen. Von Anfang an mit dabei waren Karl Schumacher und Susanne Wochele. Beide sind heute noch im Koordinationsteam des Freundeskreis der Flüchtlinge Rutesheim.
Herr Schumacher, welche Gedanken hatten Sie damals, vor vier Jahren, als Sie zum ersten Treffen gingen? Welches waren Ihre Beweggründe?
KS: Es gab mehrere Faktoren bei der Entscheidung. Als Rentner hatte ich noch freie Zeit für ein Engagement und als am aktuellen Geschehen interessierter Rutesheimer Bürger den Wunsch, mich in einem Projekt einzubringen.
Und wie sind Sie, Frau Wochele, zum Freundeskreis gekommen?
SW: Über den Aufruf in den Stadtnachrichten.
Herbst 2014, das war ziemlich genau ein Jahr vor dem Höhepunkt der Flüchtlingsankunft in Europa und Deutschland. Wie war die Situation damals in Rutesheim?
KS: Die Stadt sollte kurzfristig geflüchtete Familien unterbringen und bei der Integration betreuen. Dazu brauchte die Stadt die Hilfe von Ehrenamtlichen. Erste Familien wurden bei der Ankunft im Ort, beim Einzug und beim Zurechtfinden unterstützt. Zeitgleich wurde der Freundeskreis der Flüchtlinge Rutesheim gegründet.
Dann kam ein Jahr später das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin. Haben wir es geschafft, oder nicht?
SW: Für Rutesheim „Ja“, dank vieler offener und flexibler Menschen in der Verwaltung, in den Kindergärten, Schulen, Firmen, im Ehrenamt und nicht zu vergessen Spendern.
KS: Anfang 2016 erreichte die Flüchtlingswelle auch Rutesheim mit einer großen Veränderung. Der Landkreis brauchte noch mehr Platz für die vorläufige Unterbringung und im Mai wurde schließlich eine Sammelunterkunft des Landkreises eröffnet. Parallel dazu entstand von der Stadt Rutesheim gleich daneben ein Wohnhaus für 8 Familien. Das bereits eingeübte Engagement des Freundeskreis bewährte sich nun bei der Betreuung der dort untergebrachten bis zu 120 Personen. Dank diesem ‚Rutesheimer-Modell‘ legte sich die anfängliche Aufregung im Ort sehr schnell.
Mittlerweile sind weitere drei Jahre vergangen. Die Flüchtlingsfrage und die Asylpolitik ist das am meisten diskutierte Thema in Deutschland. Wie erleben Sie im Freundeskreis in Rutesheim die dauernde Aufregung?
SW: Wir geben weiter Hilfe zur Selbsthilfe, denn wir sind überzeugt, dass Integration möglich ist. Der Weg ist nur lang und steinig. Wir müssen Geduld haben.
Fast täglich kann man in den Medien hören, die Zahl der in Europa ankommenden geflohenen Menschen hat drastisch abgenommen. Was bedeutet dies für Rutesheim? Haben sich die Schwerpunkte Ihres Engagements verändert?
KS: Die Sammelunterkunft des Landkreises wurde mittlerweile aufgelöst und die dortigen Personen in die Anschluss-Unterbringung von Rutesheim, Weissach und Leonberg übernommen. Für die Stadt Rutesheim gibt es nun auch eine Integrationsmanagerin.
SW: Viele der Geflüchteten sind nun schon über zwei Jahre in Rutesheim. Sie benötigen weniger Unterstützung bei Behördengängen, dafür Hilfe bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Die Sprachhilfe ist nach wie vor eine wichtige Hilfestellung des Freundeskreises.
Wenn ich Sie richtig verstehe lautet Ihr Fazit für die aktuelle Situation, „bei uns läuft es ganz ordentlich“. Andernorts geraten die Dinge außer Kontrolle. Welches sind Ihrer Meinung nach die Faktoren, die ein friedliches Miteinander ermöglichen?
SW: Für Rutesheim war – glaube ich – entscheidend, dass die Stadt schon 2014 zur ehrenamtlichen Betreuung aufgerufen hat und sich entsprechend viele Bürger gemeldet haben. Als dann die Flüchtlingswelle kam, waren viele Helfer da. Das gab auf Seiten der Geflüchteten und der Bevölkerung die Sicherheit „Da kümmert sich jemand!“. Das war der Grundstein für friedliches Begegnen und Miteinander in Rutesheim.
Zum Schluss unseres Gesprächs: Wenn Sie zum vierten Geburtstag einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
KS: Praxisgerechte Regelungen zu Ausbildung und Arbeitserlaubnis für Geflüchtete auch mit noch unsicherem Status und für alle Bürger bezahlbaren Wohnraum.
SW: Mehr Rutesheimer Vermieter, die Geflüchteten ein Chance geben. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen „Es lohnt sich!“.
Vielen Dank für das Gespräch.