Abgeschoben (12.2016)

Acht Tage vor Heilig Abend  2016 wurde in Rutesheim ein Ehepaar mit sechs Kindern ohne Ankündigung in den Morgenstunden von der Polizei abgeholt und  am selben Tag noch in den Kosovo abgeschoben. Wir konnten uns nicht von ihnen verabschieden. Ihr Pate, der die Familie fast zwei Jahre betreut hat, schreibt an den Familienvater.

Lieber Vllazrim Sokoli,

eine neue Heimat hast du hier gesucht, ein Land, in welchem es Arbeit gibt, in welchem deine Kinder zur Schule gehen dürfen, ein Land in welchem Gerechtigkeit herrscht, egal woher man stammt und an welchen Gott man glaubt.
Deshalb hast du dich auf den langen Weg gemacht, hierher zu uns und hast uns gezeigt, wie das geht, wenn man wirklich will. Selbst warst du dir nicht zu gut, jeden Tag, bei Wind und Wetter unsere Stadt sauber zu halten, für 85 Cent in der Stunde und das jetzt schon seit eineinhalb Jahren. Respekt und vielen Dank dafür! Kaum Aktionen,an denen ihr nicht gerne teilgenommen habt, oft habt ihr ausgeholfen, wenn Not am Mann war, oder jemand Hilfe brauchte, ohne lange zu fragen. Eure Mädchen waren beliebte Schülerinnen und hängten sich richtig rein, mit Erfolg. Kurzum, ihr seid hier zu einem bekannten und beliebten Teil unserer Rutesheimer Gesellschaft geworden und das aus eigenem Antrieb.
Klar, die schwarze Wolke der Abschiebung schwebte über euch, weil Kosovo angeblich ein sicheres Drittland sein soll, auch für Roma. Ihr habt hier Alles richtig gemacht, sagte ich euch immer wieder, und ich könne mir nicht vorstellen, dass jemand bei euch morgens um 6 Uhr klingelt, um euch nach einer halben Stunde Packzeit zur Zwangsabschiebung abzuholen. Das ist hier in Rutesheim schlichtweg nicht möglich, sagte ich, hier, wo jeder euch kennt, ihr gehört doch zu uns!
Jetzt ist es doch passiert, mein Freund und das tut mir unsäglich Leid. Dafür möchte ich mich bei dir und deiner Familie entschuldigen, das hattet ihr wahrlich nicht verdient. 8 Tage vor Weihnachten, keine Ankündigung, kein Abschied, abgeführt wie Verbrecher, ab ins Elend – was für ein Trauma.
Das macht hier viele Menschen fassungslos. Ich persönlich habe beschlossen, die Patenschaft zu euch, gemeinsam mit anderen, fortzusetzen!
Haltet durch, verzweifelt nicht, wir haben euch nicht vergessen! Auf ein baldiges Wiedersehen!

Manfred Pauschinger