Was macht ein Flüchtling mit seinem Smartphone? (03.2016)

 

Foto_SN_orgAn einem schönen sonnigen Wintertag vor Weihnachten wollte ich mich mit meinem Leberkäsewecken in der Hand auf eine Bank in der neuen Stadtmitte setzen. Ich sah, dass schon eine junge Frau mit Kopftuch da saß und ganz vertieft in ihr Smartphone schaute. Sofort schoss mir durch den Kopf, ob es nichts Besseres gebe als Mitten am Tag mit dem Handy zu spielen. Ich gehöre noch zu der Generation, die mit einem Festnetztelefon mit Wählscheibe aufgewachsen ist und das Handy zum Telefonieren nutzt. Um ehrlich zu sein, ich besitze nicht mal ein Smartphone.

Beim näheren Hinsehen erkannte ich eine der Flüchtlingsfrauen aus Rutesheim. Sie begrüßte mich freudig und hielt mir voller Stolz ihr Handy ans Ohr. Eine männliche Stimme sagte zu mir „Ich möchte einen Deutschkurs machen“ und sprach weiter auf Persisch, wie mir die Frau erklärte. Sie saß am Marktplatz, um einen Deutsch-Persisch Kurs im Internet zu machen, denn es gebe am Rutesheimer Marktplatz kostenloses WLAN und sie könne hier in Ruhe lernen. Daheim machen zwei kleine Kinder zuviel Lärm.  Dort könne sie nur noch aufschreiben, was sie gerade gehört habe. Die junge Frau lernte weiter Deutsch, während ich nachdenklich neben ihr auf der Bank meinen Imbiss zu mir nahm.

Nach dieser Lektion „Was macht ein Flüchtling mit seinem Smartphone“, habe ich bei meinen nächsten Besuchen im Sprachcafe „Café International“ einige Flüchtlinge gefragt, was sie hier in Deutschland mit ihrem Telefon machen. Die erste Antwort war immer, um Kontakt mit der Familie zuhause zu halten. In ihrer Heimat gibt es kaum funktionierende Festnetze. Die Kommunikation über WhatsApp oder Skype ist einfacher und billiger. Dank Mobiltelefon wurden mir immer gleich noch Bilder von der Familie und dem Leben zuhause gezeigt. Wenn das Erzählen auf Deutsch zu schwierig wurde, haben wir den bereitgelegten Block benutzt, um Wörter zu schreiben oder Begriffe zu zeichnen. Auch das Handy kam wieder zu Einsatz, diesmal als Übersetzungshilfe. Google-Translate, digitale Wörterbücher oder Vokabeltrainer konnten schnell weiterhelfen.

Egal ob man als Urlauber, als Geschäftsreisender oder eben als Flüchtling in einem fremden Land ist: Ein Smartphone ist heutzutage schon lange nicht mehr nur ein Telefon. Man kann damit Nachrichten verschicken, sich informieren, fotografieren und sogar eine Sprache lernen. Die junge Frau nutzt übrigens mittlerweile auch den Sprachkurs der Sprachhilfe Rutesheim, um Deutsch zu lernen und übt mit einer Lernhelferin des Freundeskreises. Und ich überlege mir ernsthaft, ob ich mir nicht doch ein Smartphone zulegen soll. (SW)